Oberstdorf vor 100 Jahren

von Eugen Thomma am 01.06.1988

1887

  • Die „Geschichte des Allgäus” von Dr. Franz Ludwig Baumann kann in Folgeheften erstanden werden.
  • „Demnächst wird Oberstdorf auch nächtliche Beleuchtung mit 16 Petroleumlaternen erhalten”, ist im „Allgäuer Anzeigblatt” zu lesen. Die Gemeinderechnung sagt dazu aus, daß von den 912,03 Mark, die an die Firma Haggenmiller, Landsberg/Lech, und an das kgl. Hüttenamt Sonthofen zu zahlen sind, die Ortsgemeinde und der Verschönerungsverein je die Hälfte tragen.
  • Der Lampenanzünder Josef Geiger erhält pro Tag und Lampe 4 1/6 Pfennig und ab 1. Oktober 6 Pfennig Vergütung. Bei insgesamt 21 Leuchtstellen ergibt das 1,26 Mark. In dieser Summe ist selbstredend die Wartung der Lampen enthalten. Der Verschönerungsverein gibt der Gemeinde zu Geigers Lohn, wie auch zum Erdölkauf, Zuschüsse.
  • Darlehen von Privaten an Private oder an die Gemeinde werden ortsüblich mit 4 1/2 % verzinst.
  • Alle Haus- und Grundbesitzer werden zur Schulumlage (Tragung der Schulkosten) herangezogen. Der Umlagesatz beträgt 20 % der Summe der zu bezahlenden Haus-, Grund-, Gewerbe- und Einkommensteuer sowie der Kapitalrenten. So hat z. B. eine ledige Dienstmagd, die für einen Krautgarten 10 Pfennig Grundsteuer bezahlt, 2 Pfennig Umlage zu entrichten. Ein vermögender Gastwirt dagegen, der zu allen fünf möglichen Steuerarten mit 132,10 Mark veranlagt ist, zahlt 26,42 Mark Schulumlage. Neben diesen Umlagen bezahlen die Eltern von Schulkindern 1,80 Mark pro Kind und Jahr Schulgeld für den Werktagsschüler. Für den Sonntagsschüler sind 90 Pfennig zu entrichten. Insbesondere ärmere Bürger zahlen für Sommer- und Winterhalbjahr in Raten.
  • Der 1. Hilfslehrer erhält ein Monatsgehalt von 21 Mark ausbezahlt, während der 2. Hilfslehrer nur 14,30 Mark bekommt. (Kurioserweise laufen alle diese Zahlungen über die Ortsgemeinde-Kasse, obwohl der schulische Bereich Aufgabe der politischen Gemeinde wäre.)
    Für die vier Schulzimmer wird je ein „Portrait Sr. kgl. Hoheit des Prinzregenten von Bayern in Goldbarockrahmen a 3 M 55 dl = 14 M 20 dl” beschafft.
  • Die „Centrumspartei” und die „Liberalen” veröffentlichen im „Allgäuer Anzeigeblatt” mehrseitige Anzeigen mit ihren Kandidaten. Bei der folgenden Reichstagswahl ergibt sich für Oberstdorf folgendes Ergebnis: Johann Evangelist Keller, Gutsbesitzer aus Großholz, von den „Liberalen” erhält 252 Stimmen und schlägt damit klar den Kandidaten des „Centrums”, Pfarrer Joseph Schelbert aus Maria Rain, der 154 Stimmen für sich verbuchen kann. Wenige Tage nach Veröffentlichung vorstehenden Ergebnisses verstirbt Pfarrer Schelbert, der uns als Autor des Buches „Das Landvolk des Allgäu’s in seinem Thun und Treiben” (1873), bekannt ist, plötzlich.
  • Für Hand- und Spanndienste vergütet die politische Gemeinde ein Tagwerk mit 1,20 Mark pro Mann und 3,44 Mark für ein einspänniges Fuhrwerk.
  • Am 13. April, um 8.00 Uhr, haben die Gestellungspflichtigen des Jahrgangs 1867 im „Engel” in Sonthofen zur Musterung zu erscheinen.
  • Aus der „Armenkasse” der Gemeinde werden 40 Mark als Jahresmiete für das Armenhaus in der Schrofengasse, Hs.-Nr. 35 (abgebrochen) entrichtet. Die Insassen - meist alte und kranke Menschen - können die Miete nicht aufbringen.
  • Am 19. April ist im „Allgäuer Anzeigeblatt” zu lesen, daß - laut eines Berichtes der Abendzeitung - das in der Gschwenderschen Gemäldesammlung befindliche Bild „das wahre, allein existierenden Original und Musterbild zu Raffael d’ Urbino ill momiere” sei, nach dem so lange gesucht wurde.
  • Der Mohrenwirt Carl Schlosser veröffentlicht zur Inbetriebnahme des Gesellschaftshauses folgendes Inserat: „An den Pfingst-Feiertagen findet große Eröffnung des Curhauses Oberstdorf bei Musik und abends bengalischer Beleuchtung statt.”
  • Zwei Schulbuben finden das leichtsinnig in einer Hirtenhütte bei Schöllang deponierte, vom Fronleichnamsfest übriggebliebene Schießpulver. Beim Entzünden des Fundes wird ein Bub getötet, der andere erleidet schwere Verbrennungen.
  • An die Firma Ch. Geigle in Nagold werden „für 3 Säcke Waldsamen” 91,70 Mark bezahlt. Die Ortsgemeinde bemüht sich (damals schon!) um Mischwaldkultur- Samen und erhält: Fichte 70 kg, Lärche 10 kg, Ahorn, Spitzahorn, Hainbuche, Esche je 1 kg und Linde 2 kg.
  • Bei den Kulturarbeiten (Pflanzen von Jungbäumen) erhalten Männer 2 Mark und Frauen 1,50 Mark als Taglohn.
  • Maurermeister Alois Huber verrechnet für ein „Tagwerk Maurerarbeit Schbrüzenhauß auf dem Thach” 2,60 Mark und „60 Stük zügelblaten dazu 3 Mark 60 dl”.
  • „64 Frauen und Jungfrauen mit 132 M Jahresbeitrag” sind Mitglieder der Oberstdorfer Gruppe des „Bayerischen Frauenvereins”, der insbesondere patriotischen Zielen dient. Um die Enstehung des Oberstdorfer Ortsvereins macht sich „Frau Hofrat Reh” besonders verdient.
  • In der Disktriktsratsversammlung vom 6. April in Immenstadt stimmen 26 Räte für und nur vier gegen eine Bezuschussung des Bahnbaues Sonthofen - Oberstdorf durch den Bezirk. Wenige Tage später bewilligt das Gremium 25.000 Mark.
  • Wegen der Gefahr, daß die Rinderpest eingeschleppt wird, darf aus dem Walsertal nur noch dienstags Vieh eingeführt werden. Bezirkstierarzt Huber untersucht an diesem Tag an der „Schanz” die betreffenden Tiere.
  • Gemeinde-Kassier Adolf Tauscher hat „1/2 Tag versumbt (versäumt) wegen Gemeindegrundverkauf zur Bahn”.
  • Die Brunnenmeister Joseph Anton Waibel und Ignaz Käufler legen Rechnungen vor über „die Verlegung eiserner Deichel” an der Mühlenbrücke. (Es ist der Beginn, die hölzernen Wasserleitungen durch Gußrohre zu ersetzen.)
  • Der Bergführer Johann Baptist Schraudolph von Einödsbach errichtet am Bacher- Gwänd eine Aussichtskanzel und wird dafür von der Ortsgemeinde mit 6,86 Mark entlohnt.
  • Für den Wegebau Spielmannsau - Obermädelejoch bewilligt der Zentralausschuß des DuOeAV die Summe von 1.800 Mark.
  • Bei der Landtagswahl (der Landtag wurde durch Wahlmänner gewählt) bringen die Oberstdorfer Liberalen ihre vier Wahlmänner durch. Es sind dies Dr. Ulrich Reh, Arzt; Ludwig Gschwender, Kaufmann; Michael Hochfeichter, Ökonom; Friedrich Prögler, Apotheker.
  • Der Gesangverein „Neuer Liederkranz” veranstaltet im Oytal am Kreuzanger „nebst dem Adlerhorste” ein vielbesuchtes Waldfest.
  • In den Fischgewässern der Witwe Schraudolph (Trettach, Stillach, Breitach, Freibergsee) werden 8.000 Jungfische ausgesetzt.
  • Über die Breitach entsteht ein neuer Fußsteg, den die Gemeinden Oberstdorf und Tiefenbach zu gleichen Teilen von je 62,45 Mark bezahlen.
  • Lehrer Lochbrunner erhält 4,95 Mark als Reisekosten „für einen Gang nach Oberstaufen behufs Abzeichnen einer Schulbank” im Auftrag des Bürgermeisters.
  • Für knapp 11 Pfennig steigt Uhrmacher Adolf Rees täglich in den Kirchturm und zieht die Uhr auf. Für das ganze Jahr macht das 40 Mark.
  • Der erste evangelische Gottesdienst dieser Saison wird am 31. Juli im Rathaussaal abgehalten.
  • Am 31. Juli befinden sich ca. 700 Gäste in Oberstdorf.
  • Die Oberstdorfer Sennalpen sind wie folgt beschlagen:

Schlappold 92 Kühe,
Sölleralpe 53 Kühe,
Krautersalpe 54 Kühe,
Warmatsgund 90 Kühe,
Vordere Seealpe 56 Kühe
Breitengehren 42 Kühe
Dietersbach 56 Kühe
Gerstruben 59Kühe

  • Am 2. August geleitet Johann Baptist Schraudolph den Ausschuß der AV-Sektion Immenstadt auf die Mädelegabel. Es ist seine 200. Führung auf diesen Berg.
  • Am 1. September wird mit den Arbeiten zum Bau der Eisenbahn Sonthofen - Oberstdorf begonnen.
  • Unter dem Jubel der Bevölkerung und der anwesenden Gäste kommt Prinzregent Luitpold zur Jagd hier an. Nach einem anstrengenden Jagdtag vergnügt sich der 66jährige Regent abends auf der Kegelbahn, was den mitreisenden Kavalieren Achtung abringt.
  • Auf der Rappenseehütte übernachteten während der Bergsaison 1887 vierunddreißig Personen.
  • Zu den bevorstehenden Gemeindewahlen ist in der Tageszeitung folgendes Inserat zu lesen: „Der Unterzeichnete erlaubt sich hiemit sämtliche Gemeindebürger Oberstdorfs, die nicht für eine Wiederwahl des bisherigen Bürgermeisters Brack sind, zu einer Vorbesprechung der Gemeindewahl am kommenden Dienstag den 29. November Abends 1/2 8 Uhr ins Gasthaus Hirsch hier freundlichst einzuladen. Oberstdorf, den 27. November 1887 Der liberale Wahlausschuß”
  • Am 30. November werden die von den Liberalen vorgeschlagenen Bäckermeister Ludwig Vogler zum Bürgermeister und Ökonom Johann Vogler zum Beigeordneten (stellvertretender Bürgermeister) gewählt. Die Schöllanger wählen den Ökonomen Jakob Socher zum Bürgermeister und den Uhrmacher Joseph Stoß zum Beigeordneten.
  • Der Bahnbau wird bis zum Wintereinbruch öfters durch Hochwasser unterbrochen, das an den Brücken- und Uferbauten Schäden anrichtet.
  • Oberstdorf muß 1.787,46 Mark berappen „als Distriktsumlage pro 1887 in die Distriktskasse Sonthofen”. Daneben sind an die gleiche Stelle 65,14 Mark für die laufenden Unterhaltskosten der Breitachbrücke im Zuge der Distriktsstraße Sonthofen - Oberstdorf zu entrichten.

Anmerkung:
Als Grundlage für die Ausarbeitung der Jahreschroniken 1937 und 1887 dienten die entsprechenden Jahrgänge des „Allgäuer Anzeigeblattes”, Aufzeichnungen im Gemeindearchiv und meine privaten Notizen.

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