„Höfats”
(Privatbesitz, Oberstdorf)
Es war Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als die kleinen Kinder oft am Zaun eines schönen, alten Bauernhauses in der Oberstdorfer Blumengasse im Unteren Markt standen und neugierig nach den „Amerikanern” Ausschau hielten. Es waren zwei Männer und eine Frau, die dort eine Wohnung bezogen hatten. Ich erinnere mich noch genau - denn ich war eines der Kinder -, daß es hauptsächlich die Kleidung war, die wir so nicht kannten und die uns sehr fremd vorkam. Vater und Sohn trugen nämlich weit geschnittene, karierte Knickerbockerhosen, und wir kannten nur Bundhosen. Freundlich waren die Fremden, die „Hearische”, zu uns, und Kunstmaler waren sie auch. So hörten wir es von den Erwachsenen.
Es handelte sich um Robert F. Curry, seine Frau und deren etwa 20jährigen Sohn Eric, die von München kamen und ihren ständigen Wohnsitz in Oberstdorf genommen hatten. Curry, der sich um diese Zeit bereits zu einem vielbeachteten Landschaftsmaler entwickelt hatte, liebte die Berge und vor allem die winterliche Schneelandschaft, die in seinen Bildern der folgenden Jahre das Hauptthema bildeten.
Geboren wurde Robert F. Curry am 2. November 1872 in Boston/USA. Früh fasste er seinen Entschluß, einen künstlerischen Beruf zu ergreifen, so daß er sich bereits 1890 dafür entschied, nach Deutschland zu gehen, um in Stuttgart das Architekturstudium aufzunehmen. Dabei mag auch die Tatsache eine Rolle gespielt haben, daß seine Mutter Mary Abby Curry als junges Mädchen in Leipzig eine Ausbildung zur Pianistin absolviert hatte. Der Sohn brach jedoch das Architekturstudium bereits nach einem Jahr ab. 1891 wechselte er nach München, um an der Akademie mit dem Studium der Malerei zu beginnen.
Die bayerische Metropole wurde zu dieser Zeit von zwei gegensätzlichen Strömungen beherrscht, einerseits von der althergebrachten Künstlergenossenschaft unter der Führung des allseits geachteten Franz von Lenbach, andererseits von den jungen, revolutionären Künstlern, die sich der Kunst einer neuen Zeit zuwendeten. Sie gründeten 1892 die „Münchener Secession”, der auch die Lehrer von Curry, Heinrich Knirr und Karl Marr, angehörten. Es war eine Zeit, in der die unterschiedlichsten Strömungen aufeinandertrafen, vom Impressionismus bis zur Gründerzeit und zum Jugendstil. Damit hatten sich die jungen Maler auseinanderzusetzen.
Curry machte sich zunächst, nach einer gründlichen, handwerklichen Ausbildung einen Namen als Porträt- und Tiermaler, vornehmlich von Rassehunden. Er war in vielen Ausstellungen vertreten. Allmählich entdeckte er jedoch seinen eigentlichen Schwerpunkt: die Landschaftsmalerei. Sein Oeuvre zeigt, daß dieses Thema der Mittelpunkt seines Schaffens blieb, auch wenn er den neuen Impulsen seiner Zeit offen gegenüberstand.
In der Komposition seiner Bilder bevorzugte Curry das Prinzip der Diagonale, d. h. der Schwerpunkt verläuft von rechts oben nach links unten, aufgefangen durch eine kontrapunktische Gruppe in der linken Hälfte, mit dem begrenzenden Hintergrund der Berge. Durch die hellen, nuancenreich strukturierten Farben von Schnee und Bergen oder von aufbrechenden Frühlingslandschaften mit den kontrastierenden Braun-Ockertönen der Bäume und Büsche werden die Bilder in einen Spannungsbogen versetzt. Durch den pastös geführten Pinselstrich gelingt es Curry, die Spuren und Wege im Schnee dem Betrachter plastisch vor Augen zu führen.
Auch wenn die Ansichten der hier abgebildeten Werke dem Einheimischen vertraut Vorkommen mögen, so darf man sie nicht mit einer photographischen Abbildung vergleichen. Es sind Impressionen von Natur und Licht, Farbe und Form, gesehen mit den Augen eines eigenwilligen Künstlers.
Anfang der vierziger Jahre zog Curry mit seiner Familie wieder zurück nach München. 1941 übersiedelte er endgültig nach Riederau am Ammersee, wo auch sein Bruder Manfred Curry, einer der erfolgreichsten Segler seiner Zeit, lebte. 1955 starb Robert F. Curry dort und wurde in Dießen am Ammersee begraben. Zu seinem Andenken wird im Frühjahr 2005 in der Oberstdorfer Villa Jauss eine Präsentation seiner Bilder gezeigt.