Alte graphische Oberstdorfer Panoramen

von Werner Grundmann am 01.02.1982

Wohl kein Ort in Deutschland ist so ausgesprochen das Zentrum eines „Panoramas“ wie gerade Oberstdorf. Schöne Aussichten gibt es mehr oder weniger überall, aber hier erlebt man schon bei der Einfahrt ein prächtiges Bergpanorama rings um den Marktflecken.

Die herrliche Lage des Ortes kann auch ein Foto wiedergeben, doch ein Panorama ist mehr, eigentlich eine Gesamt-Rundschau der Umgebung. Das Wort ist eine Neuschöpfung des 18. Jahrhunderts, aus der Zeit also, in der man die Alpenwelt der Wissenschaft und dem Tourismus zu erobern begann. 1786 erstiegen die Franzosen Balmet und Paccard als erste den Montblanc, 1787 wurde zu London das erste große Rundbild von dem Maler Robert Barker in einer Rotunde von 45 Fuß Durchmesser geschaffen, das man Panorama nannte.

Fußend auf der barocken Theatermalerei entwickelte der Danziger Architekturmaler Breysig (geb. 1766, gest. 1813) die neue Form eines Rundbildes, das auf zylindrischen Wänden gemalt, verstärkt durch davorgestellte Figuren, Architekturteile oder Landschaftselemente den Eindruck erwecken sollte, als wenn man sich inmitten einer natürlichen Umgebung oder von historischen Szenen befände. Ein gelehrter Mann hat den Begriff dafür aus zwei altgriechischen Worten zusammengestellt: pan = alles und (h)orama = das Geschaute, also Allschau oder Rundsicht. Bald hatten viele Haupt- und Großstädte solche sensationellen amphitheatralischen Riesenbilder von berühmten Schlachten, religiösen Inhalten oder landschaftlichen Besonderheiten herstellen lassen, um sie als museale Kostbarkeiten zur Schau zu stellen.

Überall sah man nun auch Panoramen draußen in der Natur, vor allem in Berglandschaften. Maler und Geometer projezierten sie auf lange faltbare Papierstreifen und wählten dafür mit Vorliebe hohe Aussichtspunkte mit weithin überschaubarem Horizont. Der wachsende Fremdenverkehr und die begierige Nachfrage nach Namen und Höhe der Berge, verbunden mit der Erkenntnis der Werbewirksamkeit, führten zur Vervielfältigung solcher Panoramenzeichnungen. Heute sind es wertvolle Sammlerstücke im Privatbesitz und im Museum. Es lohnt, sie näher zu betrachten.

Für Oberstdorf war und ist ein beliebter Aussichtsberg der Kapf über Wasach. Als „Kapf‘ wird seit alters eine Höhe zum Ausschauhalten, besonders auch in Kriegszeiten, bezeichnet. Dem Wort liegt der mitteldeutsche Begriff »kapfen« = schauen, verwandt mit »gaffen« zugrunde. Von hier wurde von A. Steudel eines der ältesten Panoramenbilder der Allgäuer Alpenkette aufgenommen, in welchem die Höhenmaße noch in „Par. Fuß“ (3 Fuß = 1 Meter) angegeben sind. Das Panorama muß also vor der Einführung der Meterberechnung im Deutschen Reich (1872) entstanden sein, aber nach 1857, denn damals wurde die bereits als Baumallee eingezeichnete Distriktsstraße nach Sonthofen über Fischen erst angelegt. Südlich der Allee nach Loretto sieht man als einziges Haus das 1856 errichtete Jagdhaus des Prinzen Luitpold. 1861, also 8 Jahre vor der Gründung des Deutschen Alpenvereins in München, schrieb Albert Steudele das Buch „Aussicht vom Kapf ob Wasach“, wie auch die Unterschrift des Panoramadruckes lautet.

Panorama - Heft 1

Panorama vom Kapf
bei Wasach (Ausschnitt)

Panorama - Heft 1

Panorama vom Kapf mit
Tiefenbacher Satteldach-Kirchturm

Panorama - Heft 1

Panorama vom Nebelhorn
von A. Steudel u. E. Waltenberger
(Ausschnitt mit Hochvogel)

Das 92 cm lange und 23 cm breite im Oberstdorfer Heimatmuseum ausgestellte Panorama umschließt den Raum vom Entschenkopf (6276 Fuß) im Osten über Höfats (6967 Fuß), die „Krotenköpfe“ (7620 Fuß), Schlappold (6026 Fuß) und Widderstein (7784 Fuß) bis zum Hohen Ifen (6664 Fuß) im Südwesten, also in einem Gesichtswinkel von 160 Grad vom „Kapf ob Wasach“ gesehen. Freilich sind die Höhenangaben verglichen mit den heutigen exakten Messungen über dem Meeresspiegel noch nicht sehr korrekt. Wie Karl Hofmann bereits im Teil 4 der Geschichte von Oberstdorf (S. 72/73) berichtet, brachte der alpine Verlag Lampart in Augsburg 1871 den „Führer durch das Allgäu, Vorarlberg und Tirol“ des Immenstädter Bezirksgeometers Anton Waltenberger unter Mitarbeit von Herrn, von Barth heraus und schuf ein Jahr später eine Beschreibung der Allgäuer Alpen mit einer Höhenmessungskarte.

Ein zweites zierlich gezeichnetes „Panorama vom Kapf bei Oberstdorf“ wurde ebenfalls im „Eigenthum und Verlag von Lampart und Comp, in Augsburg“ gedruckt. (Abb. 1) Es enthält die Höhenangaben schon in Metern, nur wenig von den heutigen Messungen abweichend. Da auf dieser lithographierten Federzeichnung der Kirchturm von Tiefenbach (Abb. 2) noch mit dem alten Satteldach eingezeichnet ist anstatt des heutigen Spitzhelms (erbaut 1892), ist diese Zeichnung schätzungsweise um 1885 entstanden. Enge Beziehungen zu Augsburg waren schon seit dem Bestehen des Deutschen Alpenvereins vorhanden und blieben noch, als sich 1874 die Sektion Allgäu-Immenstadt aus der Augsburger Sektion löste.

Wenige Jahre zuvor hatte man in Oberstdorf den Verschönerungsverein gegründet und ging nun mit vereinten Kräften an den Wegebau, aber auch an die Aufgaben der Publikation durch Erstellung von Karten, Führern und Panoramen für den steigenden Fremdenverkehr heran. Bald hatte man herausgefunden, daß der schönste Rundumblick auf die Allgäuer Berge von der Nebelhornspitze aus ist, dem einzigen aus dem Hauptkamm herausgerückten 2 1/4 Tausender. Aus dieser Höhe hat man zwischen den nahen Allgäugiganten Durchblicke zu fernen Zentralalpenzügen mit ihren Dreitausendern. Hier entstand die umfangreichste Panoramazeichnung im Vollkreise, auf einem Lithostreifen von 210 cm X 15,5 cm.

Ausgehend vom Kienberg bei Pfronten (1535 m) und dem Großen Daumen (2281 m) im Vordergrund schweift der Blick über die Thannheimer Alpen bis hin zum Wetterstein-Gebirge mit der Zugspitze (2961 m), über Innsbruck hinweg zu den Hohen Tauern (Groß Venediger 3600 m), dann zu Seiten des Hochvogels zu den Zillertaler- (Hochfeiler 3505 m) und Stubaier-Alpen (Zuckerhütl 3507 m) an der Südtiroler Grenze (Abb. 3), weiter zur Weißkugel (3511m) der Ötztaler Alpen dicht neben der Parseier Spitze (3034 m) der Lechtaler Alpen, nach Süden zum Eckpfeiler der Silvrettagruppe, dem Fluchthorn (3389 m), und im Südwesten über den Widderstein des Kleinen Walsertals die Scesaplana (2962 m) im Rätikon und tief hinein in die Schweizer Alpenwelt mit dem Tödi (3623 m) der Glarner Alpen, dem Dammastock (3446 m) bei Andermatt, dem Titlis (3239 m) südlich des Vierwaldstätter Sees, um mit den Churfirsten und dem Säntis (2504 m) den südlichen Halbkreis zu beschließen. Mit dem Ausblick auf den Bodensee hinter dem Vorarlberger Pfänder ist der tiefste Punkt des Rundblicks erreicht. Er setzt sich nach Nordwesten über die Nagelfluhkette vom Hochgrat (1880 m) und Stuiben (1765 m) zum Immenstädter Mittag (1429 m) fort. Zwischen ihm und dem Grünten (1741m).

Panoramen - Heft 1

Panorama vom
Hohen Licht
von G. Roggenhofer
(Ausschnitt mit Mädelegabelgruppe)

Panorama - Heft 1

Panorama vom Freibergsee -
Gasthof Wilhelmshöhe (Ausschnitt)

Panorama - Heft 1

Umschlag mit Gasthof
Wilhelmshöhe

Zwischen ihm und dem Grünten (1741 m) öffnet sich der Gürtel der Berge in dem nach Norden verströmenden Illertal. In der Ferne verklingen die voralpinen Höhenzüge des Hauchenbergs (1230 m) bei Diepolz und des Schwarzen Grates (1134 m) bei Kempten, um dann mit dem Wertacher Hörnle (1679 m) und dem Edelsberg bei Pfronten (1627 m) im Nordosten wieder zu enden.

Aufgenommen wurde dieses 360 ° -Panorama ebenfalls von Prof. Steudel. Der Druck im „Eigenthum und Verlag der Alpenvereins-Sektion Allgäu-Immenstadt“ ist allerdings 1891 „neu bearbeitet von E. Waltenberger“.

Kann man den Nebelhornrundblick als klassisches gelungenstes Panorama des alten Jahrhunderts betrachten, so wird es doch an Maßen, Korrektheit und stereotyper Genauigkeit durch ein ähnliches Werk von noch höherer Warte, dem bereits auf Tiroler Boden gelegenen Hohen Licht aus gezeichnet (Abb. 4), noch übertroffen. Hier ist Oberstdorf von Süden her gesehen mit seinem „unteren Markt“ ganz an den rechten Rand des 2,74 m langen und 28 cm breiten zyklopischen Druckes gerückt. Die gewaltige Leistung der Zeichnung für die Alpenvereinssektion Kempten lag in den Händen Georg Roggenhofers aus Obergünzburg.

Wieviel bescheidener, aber malerisch intim empfunden sind Panoramen, die Oberstdorfer selbst von ihren geliebten Bergen zeichneten, so ein Bilck vom Aussichtsturm des neuerbauten Gasthofs Wilhelmshöhe am Freibergsee, in der „Akt.- Ges. Münchener Chromolith. Kunstanstalt“ gedruckt. Der Erbauer und Besitzer (nach A. Berktold 1891 - 94) des altanenumgebenen, im damals modernen neuschweizerischen Stil erbauten Etablissements Wilhelm Hagspiel präsentiert in gefällig romantisch-naturalistischer Malweise die Aussicht über den See, die Wälder, Täler und Berge vom Grünten bis zum Söllereck im Dreiviertelkreis (Abb. 5). Auf dem Umschlag läßt er sein mit Feriengästen gefülltes und von Wanderern, auch zu Pferde, umgebenes Hotel (Abb. 6) und auf der Rückseite eine selbst entworfene Wanderkarte mit Einzeichnung der „Gehstundenlänge“ abdrucken.

Bis ins 19. Jahrhundert reichen auch die Auflagen des Leipziger Reisehandbücherverlag Woerl zurück, dessen erste Auflage „Oberstdorf und Umgebung, Führer im Allgäu“ Dr. Modelmayr 1891 schuf. In seiner 13. Auflage ist im Dreifarbendruck ein „Panorama von Oberstdorf ‘ von dem akad. Maler Franz Schratt zu Oberstdorf eingelegt und sind weitere 7 Panoramaskizzen des Allgäus abgedruckt.

Das gezeichnete Panorama hatte sich überall, auch in der Literatur, durchgesetzt. Im 20. Jahrhundert wurde es größtenteils von der Photographie abgelöst, jedoch die rein objektive Darstellung durch einen automatisch schwenkbaren Panoramaapparat (pantoskopische Kamera obscura) erreichte nur selten die wertende Klarheit und persönlich empfundene Aussage einer Panoramenzeichnung.

Kontakt

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1. Vorsitzender
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Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

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